Positive Psychologie im Unternehmen - Perspektiven
Seit Jahren schlagen die Krankenkassen Alarm und weisen auf einen deutlichen Anstieg der Erkrankungen aufgrund psychischer Belastungen in den letzten 10 Jahren hin (Wagner 2017, Wagner, Klüth 2017). Die Ergebnisse aus der Literatur (Quelle z.B. (N.N. 2019)) zeigen, dass die ökonomischen, technischen und sozialen Änderungen in der Arbeitswelt (Arbeit 4.0 und Industrie 4.0) wesentlich für den Anstieg der psychischen Belastungen und die hohen Gesundheitskosten zur Behandlung der Erkrankten (z.B. Burn-Out-Behandlung) verantwortlich sind. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken hat der Staat die Unternehmen in Deutschland gesetzlich dazu verpflichtet, neben einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)[1] eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Erkrankungen durchzuführen https://www.ergomed-landau.de/downloads/Instrumente-zur-Erfassung-psychischer-Belastungen-(BAuA).pdf.Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz[2] ist seit 2013 in deutschen Betrieben ab einem Mitarbeiter laut Arbeitsschutzgesetz (§ 5) vorgeschrieben. Sie ist ein geeignetes Instrument um psychische Belastungen zu identifizieren, geeignete Maßnahmen auf den Weg zu bringen um den ermittelten Status Quo zu verbessern.
Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen sollte in der Praxis in aller Regel in einem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) eingebunden werden (Matusiewicz 2018). Leider geschieht dies in der Praxis viel zu selten! Nahezu dreiviertel aller Betriebe führen keine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz durch. Die Gründe dafür sind vielfältig (Quelle BAuA 2014).
Noch immer wird in vielen Betrieben der Nutzen einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen stark unterschätzt und auch die ökonomisch begründbaren Gründe kaum gesehen. Es scheint, dass für die Unternehmen die drohende Sanktionierung durch den Gesetzgeber bei Nichteinhaltung der rechtlichen Vorgaben ein zu vernachlässigtes Risiko ist. Aus diesem Grund wird auf dieser Webseite die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen angefangen vom BGM als solches und ausgehend von den gesetzlichen Grundlagen, behördlichen Verordnungen, Nutzen und Chancen einer erfolgreichen Umsetzung für das Unternehmer und den einzelnen Mitarbeiter ausführlich erläutert..
Ich bin der Meinung, dass der aktuelle COSOQ Fragebogen um weitere Bereiche aus der positiven Psychologie erweitert werden sollte, also in den Fragebogen zusätzlich Fragen zu den Charakterstärken[5]eingearbeitet werden sollten, die die Bewertung des subjektiven Wohlbefindens zu erfassen[6]. In einer früheren Variante des COPSOQ-Fragebogen[7] wurde dazu ein erster Ansatz gemacht[8].
Es ist noch ein weiter Weg zur flächendeckenden Verbreitung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in den Unternehmen (Mier 2015). Dieses Ziel sollte aufgrund der in dieser Arbeit aufgeführten Argumente ein Hauptziel im praktizierten Arbeitsschutz in Deutschland sein. Dieses Ziel kann aus unternehmerischer Sicht durchaus positiv genutzt werden[9] und bei den Mitarbeitern eine gesteigerte Leistungsfähigkeit, Produktivität, Mitarbeiterbindung[10], Arbeitszufriedenheit und eine Reduzierung von Fehlerquoten und Ausfallkosten entstehen lassen.
Damit diese Ergebnisse optimal erreicht werden, empfiehlt es sich die Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastung auf den zu untersuchenden Betrieb individuell anzupassen und durch die Anwendung von Interventionen[11] aus der Positiven Psychologie zu verbessern (March 2019). Allen an diesem Prozess beteiligten Personen muss klar sein, dass das Ganze ein dynamischer Lernprozess ist, denn es gibt zwei großer Faktoren: a) die sich verändernden Arbeiten/Arbeitsprozesse und b) die Mitarbeiter (z.B. Demografischer Wandel).
Die Festlegung von Maßnahmen und deren Umsetzung sowie die Wirksamkeitsermittlung sind weitere wichtige Folgeschritte Der Gefährdungsbeurteilung. Im Verlauf des Dialogs mit der jeweiligen Firma können sich sehr individuelle Lösungsansätze ergeben. Natürlich gilt es auch die Wirksamkeit dieser Maßnahmen in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren[12] bis hin zu einer erneuten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz nach einer bestimmten Zeit (Neuner 2019).
Zum Schluss sei noch erwähnt: Das ganze Vorhaben einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen innerhalb eines BGM steht und fällt mit der 100%igen Unterstützung der Geschäftsleitung und einen offenen, intrinsisch motivierten Dialog mit den Mitarbeitern. Bei meinem Projekt bin ich in zwei von drei Fällen Anfänglich eher mit einem zurückhaltenden Verhalten als einem positiv unterstützenden Verhalten begrüßt worden. Mit Beharrlichkeit, Verständnis und offen Dialog hat sich die Situation in allen Fällen deutlich zum Positiven verändert. Entsprechend positiv waren die Reaktionen von allen drei Firmen auf die durchgeführte Aktion.
[1] Im Idealfall eingebettet in einem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) (Roller 2016).
[2] Bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen steht die Beurteilung und Gestaltung des Arbeitsplatzes im Mittelpunkt. Die psychische Verfassung der einzelnen Beschäftigten sollte dabei weniger betrachtet werden, sondern mehr die Arbeits- und Ausführungsbedingungen von Tätigkeiten. Dazu gehören z.B. Arbeitsintensität, Handlungsspielräume bei der Arbeit oder die Arbeitszeit.
[3] Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COSPQ), aktuelle Fassung 2020, vgl. https://www.copsoq.de/
assets/COPSOQ-3a-mit-Skalenzuordnung_download_210120.pdf (www.ffaw.de). Dieser Fragebogen setzt wissenschaftlich validierte Fragen ein.
[4] Da die Anzahl der ausgewerteten Fragebögen eine geringe Fallzahl von N = 8 – 35 hatten, sind die Ergebnisse mit entsprechender Vorsicht zu betrachten. Ein Vergleich mit Durchschnittwerten aus Bundesdeutschen Befragungsergebnissen zeigt deshalb auf, wie die Ergebnisse verstanden bzw. interpretiert werden könnten.
[5] Also Fragen aus dem VIA-IS Fragenbogen zur Ermittlung der Charakterstärken, vgl. https://www.charakterstaerken.org/VIA_Interpretationshilfe.pdf
[6] Lebenszufriedenheit (Satisfaction with life scale, SWLS (Diener, Emmons, Larsen & Griffin, 1985 und 2016), vgl. http://www.positive-psychologie.ch/?page_id=26
[7] z.B. COPSOQ-Fragebogen, 2019
[8] vgl. Diener - satisfaction with life scale (1985 / 1999 / 2009)
[9] Hierzu ist ein entsprechendes Marketing erforderlich, z.B. „tue Gutes; sei eine gute Firma und sprich darüber…“
[10] Anstelle „Mitarbeiterbindung“ würde ich lieber sagen „Mitarbeiterbegeisterung“ oder „Mitarbeiter-verbundenheit“
[11] Möglichst intrinsische Positive Interventionen oder Ressourcenaktivierende Interventionen (Boiler et al. 2013)
[12] Im Zweifelsfall ist man gut beraten, wenn man „kritische“ Arbeitsplätze im Einzelnen genauer analysiert.