Gesundheitliche Aspekte durch psychische Belastungen im Betrieb
Kennen Sie das Zitat: "In der ersten Hälfte unseres Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben, in der zweiten Hälfte opfern wir unser Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen. Und während dieser Zeit gehen Gesundheit und Leben von dannen. "Voltaire (1694 - 1778), eigentlich François-Marie Arouet. Aber was genau ist "Gesundheit"? In Kapitel 3.3. wurde diese Frage näher behandelt.Bewegung
Mangelnde Bewegung wird als der viertwichtigste Risikofaktor für die Mortalität eingestuft. Unser Körper bleibt nur gesund, wenn wir ihn bewegen. Körperliche Aktivität ist dabei definiert als körperliche Bewegung, die ausgeübt wird durch Skelettmuskulatur bei einem Energieumsatz oberhalb des Grundumsatzes des Körpers, z.B. schnelles Gehen bei einem Pulsschlag von 120 Schläge /Minute. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sich um z.B. Wandern, Radfahren, Garten- und Hausarbeit oder Treppen steigen handelt. Die WHO empfahl 2019 für eine gute Gesundheit mindestens 5 x wöchentlich eine Bewegung von 20 - 30 Minuten.
In vielen BGF-Konzepten findet sich die "10.000 Schritte" - Übung (ca. 6 - 8 km) pro Tag. Diese Übung ist in ihrer Länge nicht wissenschaftlich belegt, sondern entspringt dem Marketing. Wissenschaftlich betrachtet genügen je nach Teilnehmer auch 6.000 - 8.000 Schritte. Leider werden dieser Empfehlung nur ca. 20% der berufstätigen Erwachsenen gerecht: > 74% aller Männer und > 84% aller Frauen sind weniger als 2,5 h pro Woche körperlich aktiv. Dabei gibt es keine signifikante Abhängigkeit vom Sozialstatus. Mehr als 33% aller Männer und Frauen sind sportlich inaktiv. Dabei nimmt der Anteil sportlich Inaktiver mit zunehmenden Alter zu. Besonders besorgniserregend ist die Prävalenz bei der Fettleibigkeit, die dann als solches die Menschen zu weniger Bewegung verleitet.
In Deutschland sind über 46% aller Frauen und über 60% aller Männer von starkem Übergewicht betroffen. Für diese große Gruppe besteht ein erhöhtes Risiko für zahlreiche schwere Krankheiten, vor allem des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechsels, der Gefäßsysteme, des Muskel- und Skelett-Systems sowie einer Disposition zu bestimmten Krebserkrankungen (Gößwald 2012). Neben einer gesunden Ernährung schafft eine ausreichende Bewegung eine wichtige Grundlage für die Erhaltung einer langfristigen Arbeitsfähigkeit bis ins hohe Alter. Dies ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels besonders wichtig.
Bild: Die Bewegungspyramide - Bewegungsempfehlung für Erwachsenen (2018, 2019, BKK Gesundheitsreport)
Zusammenfassend kann gesagt werden, ein körperlich aktiver Lebensstil ...
- reduziert das Risiko von koronaren Herzkrankheiten und Bluthochdruck, Darmkrebs, Diabetes und Arteriosklerose und ihre Folgeerkrankungen
- kann Blutdrucksenkend wirken
- dient dem Erhalt gesunder Knochen, Muskeln und Gelenken
- verringert Symptome wie Angst und Depression und verbessert die Stimmung sowie das Wohlbefinden
- erhöht die Stresstoleranz
- hilft das Gewicht zu kontrollieren, Muskelmasse aufzubauen und Körperfett zu reduzieren
- beugt Diabetes (Typ II) vor.
- Aktive Personen haben im Vergleich zu inaktiven Personen ein 30 - 50%ig niedrigeres Risiko zuckerkrank zu werden
Meine Empfehlung: Bereits eine halbe Stunde Bewegung pro Tag mit leicht beschleunigtem Atem kann die allgemeine Gesundheit beträchtlich verbessern. Regelmäßigkeit führt dabei zu langfristigen Erfolgen. Sinnvoll ist die Kombination von Ausdauer, Kraft, Dehnfähigkeit/Beweglichkeit sowie die Einbeziehung der Koordination- und Entspannungsfähigkeit sowie die psychosozialen Faktoren.
Fazit: Die beste Motivation für mehr Bewegung, mehr Gesundheit, ist das eigene Wollen (Dohmen 2018) und das kann durch intrinsische Motivation, Ressourcenaktivierungen und Übungen aus dem Mindful Leadership gefördert werden..
Psychische Gesundheit
"Die psychische Gesundheit ermöglicht uns, das Leben zu genießen und gleichzeitig Schmerzen, Enttäuschung und Unglück zu überwinden. Sie ist eine positive Lebenskraft und ein tiefer Glaube an unsere eigene Würde und unseren Selbstwert" (übersetzt nach British Heart Foundation, 2008). "Psychische Gesundheit befähigt den Einzelnen, die alltäglichen Belastungen des Lebens zu bewältigen, produktiv und wertschöpfend zu arbeiten und seinen Teil für die Gemeinschaft beizutragen" (Weltgesundheitsorganisation(WHO)).
Die Psyche ist die Gesamtheit unseres individuellen Wahrnehmens, Fühlens, Empfindens und Agierens. Unsere Psyche hat eine organische und eine genetische "Grundeinstellung". Deshalb können psychische Beeinträchtigungen körperliche Auswirkungen, Missempfindungen oder sogar Krankheiten auslösen. Umgekehrt ist dies auch möglich.
Die zunehmende Relevanz psychischer Störungen wird vor allem bei einem Blick auf die Frühberentungsstatistik sichtbar. Seit 2000 ist die mangelnde psychische Gesundheit die Hauptursache für krankheitsbedingte Frühberentungen .
Auswertungen der gesetzlichen Krankenversicherungen untermauern diesen Trend. Im Verlauf der letzten 30 Jahren ist in der Statistik der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Zunahme bei den Psychischen Störungen zu beobachten.
Aktuell gehen 12% der Arbeitsunfähigkeiten auf Psychische Störungen zurück. Bei den Frauen steht die Krankheitsgruppe an zweiter Stelle, bei den Männern an vierter Stelle.
Bild: Krank wegen psychischer Erkrankungen gehört nicht zu den häufigsten Krankmeldungen (psyga Faktenblatt / BKK (2019))
Die Frage, ob tatsächlich mehr Menschen an psychischen Erkrankungen leiden als in der Vergangenheit, lässt sich derzeit nicht sicher feststellen. Die veränderten Lebens- und Arbeitsumstände liefern Gründe, dass von einer tatsächlichen Zunahme der Krankheitsfälle auszugehen ist. Nicht vergessen werden darf dabei, dass sicherlich vor dem Hintergrund der Kompetenzerweiterung der Ärzte und die - wenn auch nach wie vor zögerliche Enttabuisierung dieses Randthemas - zu einer höheren Entdeckungsrate führt.
Auffallend ist, dass besonders Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Dienstleistungsbereich im erhöhten Maße von psychischen (Rehmer 2016) betroffen sind als z.B. Mitarbeiter aus dem Bereich der Produktion. Man könnte sagen, je mehr ein Mitarbeiter sich mit den Bedürfnissen / Problemen der Interessenten und Kunden beschäftigt, desto stärker können sich diese Kräfte auch negativ auf seine psychische Gesundheit auswirken.
Laut einer Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA 2012) haben mehr als 40% der befragten geantwortet, das folgende Belastungsfaktoren besonders stark auf sie einwirken:
- Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit (ca. 70%)
- Fehlen notwendiger Informationen (ca. 70%)
- Keine rechtzeitige Informationen (ca. 60%)
- Termin- und Leistungsdruck (ca. 60%)
- Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit (ca. 60 %).
Es stellte sich heraus, das die Belastungsfaktoren an sich nicht die größte Belastung sind, sondern es sind vielmehr die unzureichend gestalteten Arbeits- und Informationsprozesse. Somit ist es auch für das subjektive Gefühl des Mitarbeiters von Bedeutung, das für das korrekte Abarbeiten von Aufgaben ausreichende und vor allem rechtzeitige Informationen vorliegen. So kann ein Bild für das Ganze entstehen. Die folgende Tabelle 6 fasst negativen Folgen von psychischen Fehlbelastungen zusammen (BAuA, 2014, 2017, 2019).
Tabelle: Negative Folgen von psychischen Fehlbelastungen bei der Arbeit
Kurzfristige Reaktion auf psychische Belastungen und Stress |
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Langfristige und chronische Reaktionen |
Anspannung, Nervosität, Müdigkeit, innere Unruhe, Ärger, Aggression, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Leistungs-schwankungen, Konflikte und Streit, Isolierung innerhalb und außerhalb der Arbeit (Birkenbihl, 2016, 2018, 2019) |
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Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Verspannungen im Rücken und Rückenschmerzen, erhöhtes Herzinfarktrisiko, Schwächung des Immunsystems, erhöhtes Krebsrisiko, erhöhte Psychosomatische Beschwerden, Burnout, Work-Privacy-Konflikte, erhöhter Konsum von Nikotin, Alkohol, Tabletten und anderer Droge, innere Kündigung, Depressionen, erhöhte Gewaltbereitschaft |
Quelle: https://reposit.haw-hamburg.de/bitstream/20.500.12738/7151/1/Erik_Mier_BA.pdf
Zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz eignen sie die Informationen aus der schweizerischen Kampagne "10 Schritte für psychische Gesundheit" (vgl. Künzler Grendelmeier 2018). In dieser Kampagne, vgl. Bild, werden die für die psychische Gesundheit wichtigen Aspekte wie z.B. Wohlbefinden, Optimismus, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, Beziehungsfähigkeit Sinnhaftigkeit, Alltagsbewältigung und Arbeitsbewältigung behandelt und Übungen empfohlen.
Diese "10 Schritte für psychische Gesundheit" können als Denkanstöße für den beruflichen Alltag angewandt werden. Es sind Anregungen an den Einzelnen, etwas zur Gesundheit seiner Psyche zu tun (vgl. auch Ruch, Baumann, Gander, Gößwald et al. 2012, 2013, 2016, 2017).
Bild: 10 Schritte für psychische Gesundheit
(Gesundheitsförderung Schweiz; Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz (NPG))
Seit 2011 gehen jährlich über 70.000 Arbeitnehmer wegen psychischer Erkrankungen in Frührente. Dabei liegt das Alter im Durchschnitt bei knapp über 50 Jahren